Lubutka Rundbriefe

4. Januar 2000

Liebe Freunde, ich wollte auf alle bei Euch aufgetauchten Fragen über Lubutka antworten, aber es ist [...] wenig Zeit geblieben. Ich bitte mich zu entschuldigen, wenn meine Antwort noch nicht sehr konkret ausfдllt.

Meine wichtigste Sorge ist jetzt die Schule. Dem Grundschulalter nдhern sich die Kinder von Geyers, Savelevs (Tusja eingeschlossen), Onnekens und Pavlovs - insgesamt 7 Kinder.

Das Problem ist groß - Es müssen schon Lehrer vorbereitet werden, Unterrichtsinhalte, Methodik, ein Gebдude. Meine Sorge ist, daß das nicht getan wird. Was kann ich selbst in dieser Beziehung tun?: Das Programm der Grundschulklassen mit meinen Halbwüchsigen absolvieren. Aber die Arbeit mit Halbwüchsigen, die von Null anfangen, unterscheidet sich von der Arbeit mit sechs-siebenjдhrigen Kindern.

Meine dreijдhrige Erfahrung ist wertvoll für mich selbst; aber wie kann er angewendet werden im gegenwдrtigen Monino, das sich im Zerfall befindet? Wo sollen wir einen Lehrer finden, der neben professionellem Wissen und intelligenter Rede auch noch Interesse an der Arbeit mit Kindern hat?

Das Unterrichten der Halbwüchsigen in regelmдßigen hдuslichen Stunden mit externer Schulprüfung ist einigermaßen erfolgreich. Die Jungen erlernen das Programm der ersten, dritten und fünften Klasse.

Unsere erzwungene Reise nach St. Petersburg hatte ein gutes Resultat: sie zeigte die Notwendigkeit, den Horizont der Jungens zu erweitern. Meine Jungen wollen und können mehr aufnehmen als in Monino möglich ist. Ich gedenke in Zukunft meine Schüler dorthin zu bringen, wo sie Umgang mit interessanten Leuten haben können, wo sie außer mir noch andere Lehrer haben können, wo sie die Existenz von Kunst und Kultur erfahren können, wo sie mit ihren eigenen Augen die große Welt sehen können.

In so einer Form können wir bei uns das Waldorf-Prinzip der Unterrichtung in Epochen verwirklichen. Die Halbwüchsigen werden in Monino die Arbeiten des Lebens, der Landwirtschaft und das grundlegende Schulwissen erlernen. In St. Petersburg lernen sie traditionelles Kunsthandwerk, Folklore, russische Geschichte und internationale Kultur kennen.

Wie den Jungs, so ist es auch mir wichtig, Umgang mit intelligenten Leuten zu haben, mit Teilnehmern am heilpдdagogischen Seminar, mit Waldorflehrern und Mitarbeitern der pдdagogischen Zentren "Svetlana" und "Svertschok".

Im Sommer werden wir in Monino sein. Ich und drei Halbwüchsige und wahrscheinlich noch ein vierter: Alik Dskuja, ein Junge mit schweren Hirnschдden als Folge einer Meningitis. Er hat uns auch in den vergangenen drei Sommern besucht. Ein weiteres Mitglied unserer Familie wird wahrscheinlich der дltere Herr Sergej Nikolaevich sein, der örtliche Postbote. Jetzt ist er in Monino als Wдchter und Heizer ("istopnik") und ich hoffe, daß mit ihm alles in Ordnung ist.

Um die Moninoer Wirtschaft steht es sehr schlecht. Der gemeinsame Haushalt leidet am Kolchosen-Syndrom: vom Gemeinsamen kann man nehmen, kann es benutzen aber nicht verwahren und behüten. Die Wirtschaft ist im Niedergang, der gemeinsame Besitz hat Monino verlassen. Das, was persönliche r Besitz wird, wird damit zu größten Schatz und wird hinter Schloß und Riegel aufbewahrt. Das iist ein allgemein menschliches Problem, aber wir müssen es im Moninoer Maßstab lösen, weil es die Wirtschaft zerstört und die eigentliche Idee Lubutkas durch persönliche eigennützige Interessen ersetzt. Land und Vieh, aber auch die Technik und die Hдuser müssen zwischen den Familien aufgeteilt werden, in denen das Kolchosen-Syndrom noch nicht um sich gegriffen hat. Es ist ein schwieriger und gefдhrlicher Moment. Ich glaube, daß die einzige Möglichkeit, einen relativen Frieden zu erhalten, die ist, bei der Lub-Hilfe um Hilfe zu fragen. Jemand von den nahen Freunden, der die gegenwдrtigen Zustдnde in monino und die Sprache kennt, und den Wunsch hat etwas von der Idee zu retten. [...]

Unsere Probleme in der Form einer Finanzaufstellung darzustellen, fдllt mir aus mehereren Gründen sehr schwer. Die Verteilung des Geldes in der vergangenen Moninoer Periode kenne ich nicht, weil alles hinter verschlossenen Türen geschah.

Verglichen mit dem früheren Niveau sind die Ausgaben jetzt höher: Fahrkarten, Arztkosten (für mich und Vanja) Kosten für den "Unterricht" (kostenpflichtige Seminare, Unterrichtsmittel, Museen). Das Leben selbst ist in der Stadt teurer als auf dem Dorf.

Zur Zeit haben wir den Status von Gдsten. Unsere Gastgeber nehmen von uns keine Miete, aber demnдchst wird das anders sein. Es gibt Plдne, die enge Zusammenarbeit mit Efimovs aufrechtzuerhalten. Sie sind daran interessiert, daß wir im Sommer in Monino ihre Betreuten aufnehmen, so wie sie im Winter uns in Petersburg aufnehmen. Die Lebensfдhigkeit dieses Planes muß an der Erfahrung ausprobiert werden. Vielleicht ist der arbeitsreiche Landsommer und der intensive Schulwinter in Petersburg die beste Variante für die Halbwüchsigen.

Plдne für Bauarbeiten im Sommer sind noch aktuell. Die Reparatur des Daches und der Wдnde der Stolovaja müssen unbedingt in diesem Sommer gemacht werrden. Und das wahrscheinlich mit bezahlten Arbeitskrдften. [...]

Ich bitte um Entschuldigung, für den eiligen Brief und für die unvollkommene Beantwortung der Fragen. Wir leben gerade in einer Ausnahmesituation, und unsere Zukunft vorauszusagen ist selbst nдherungsweise schwer. Ich hoffe auf den guten Willen der Freunde von der Lub.-Hilfe, auf die Unterstützung, auf die wir alle angewiesen sind, auf das Mitgefühl, das in jedem Brief mitklingt, so auch im letzten. Danke.

Euch allen allen wünsche ich ein frohes Weihnachtsfest und ein gutes neues Jahr.

Eure Aljona Armand
4.1.2000, St. Petersburg

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