Uber Monino im Internet

Aufbauhilfe für das Kinderdorf Lubutka in Monino

Erziehungskunst, Dezember 1999

Im Juli dieses Jahres fuhren 32 Schülerinnen und Schüler der 11. Klasse der Freien Waldorfschule am Illerblick in Ulm mit ihren beiden Klassenbetreuern nach Russland, um ein Kinderdorfprojekt zu unterstützen, in dem jugendliche Behinderte und Waisen betreut werden. Dazu die folgenden Berichte der beiden Betreuer und einer Schülerin.

Es war geradezu klassisch: Lange wurde die Reise vorher geplant, und je näher sie rückte, umso mehr Fragezeichen und Herzklopfen bekamen wir: Sollen wir es wagen, in das unbekannte, fremde Russland zu fahren, um ein Kinderdorf aufbauen zu helfen? Wir wagten es: 42 Stunden mit dem Bus ins Quellgebiet der Wolga, irgendwo zwischen Moskau und St. Petersburg.

Die Klasse, die sich lange und intensiv auf ihren Arbeitseinsatz vorbereitet hatte, war mit sehr viel Energie und dem guten Vorsatz, hilfreiche Aufbauarbeit zu leisten, nach Russland gekommen. Doch schon bald tauchte die Frage auf und sie ist bis heute geblieben: 'Wollen die Russen überhaupt unsere Hilfe?' 'Das ist wie in Afrika', so ein Schüler, 'Hilfe ist dringend nötig – aber wird sie eigentlich gewollt?' Wir erlebten, dass Bauern lieber Wasser aus Pfützen trinken, als eine Wasserleitung zu bauen.

'Russen können nicht organisieren', war ein schnelles Urteil der Schüler. Immer wieder hatte man gefragt, welches Werkzeug wir mitbringen könnten – und schließlich fehlten doch die notwendigen Scharniere für das geplante Scheunentor. Man half sich mit einer Holzkonstruktion. Oder es sollte ein sonntäglicher Ausflug in die nächste Kleinstadt (Toropetz) stattfinden. Nachdem sich alle pünktlich eingefunden hatten, musste aber erst der Dorflastwagen (unser Transportmittel!) repariert werden und schließlich auch noch Benzin besorgt werden. Man startete – wie so oft – mit beträchtlicher Verspätung und mit der typischen Wartezeit; auf dem Rückweg gab der Motor ganz den Geist auf. Aber – welch Wunder – blitzschnell wurde ein anderes Gefährt 'organisiert': Russisches Organisieren sieht anders aus als deutsche Planungen!

'Was oder wer ist eigentlich sozial bzw. unsozial?' war eine ständig anwesende Frage; sie löste sich nur langsam in Luft auf, wurde aber letztlich bedeutungslos. Eine russische Sitte besteht beispielsweise darin, beim gemeinsamen Essen immer erst dem Anderen zu geben. Die Deutschen bedienten sich selbst oder stellten sich zur Essensausgabe in einer Reihe an – für Russen unvorstellbar!

So tauchten Fragen über Fragen auf, Gegensätze prallten aufeinander; Völkerverständigung ist in der Theorie leichter zu handhaben als vor Ort – und das, obwohl sich alle Beteiligten doch redlich Mühe gaben. (...)

Ulrike Hebrok u.a.

Die Qwelle: (c) 2000 Verlag Urachhaus, Erziehungskunst - Ausgabe : Dezember 1999

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