Monino Fotobericht

Frühling 2004

Diesen Frühling lief unser Leben in Monino in ihren gewöhnlichen Bahnen. Die Gäste kamen, die Natur mischte sich in unsere Angelegenheiten ein. Wie vorher waren zehn ständige Einwohner da. Erwachsene: Mascha, Wlad, Igor, Olga und Mischa. Kinder: Tussja, Nikola, Matwej, Kirjuscha und Uljana. In den Berichten benutzen wir die Wörter "Betreute" und "Betreuer", obwohl die Wörter uns fremd sind. In Monino sagen wir Erwachsene und Kinder. Das liegt nicht am Alter sondern an der Verantwortung...

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Das erste Schuljahr in Monino

Im Juli 2003 wurde Tussja, das Adoptivkind von Mascha und Wlad, 7 Jahre alt. Es gab schon seit dem Jahr 2000 einen Schulkreis, der für die Gründung der Schule in Monino zuständig war. Trotztdem kam Tussjas Schulreife unerwartet.

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Diesen Sommer wurde ich mit meinem siebenjährigen Studium endlich fertig. Obwohl ich gerade viele weitere Möglichkeiten hatte: Managment in einer Ölfirma, archäologische Ausgrabungen im Nahen Osten, Promovieren u. ä., habe ich mich für die Schule in Monino entschieden.

Jetzt haben Tussja und ich unser erstes Schuljahr hinter uns gebracht und wir sind beide der Meinung, dass es viele Vorteile aber auch Nachteile gab. Während des Jahres musste ich ein Paar mal für zwei bis drei Wochen ausreisen und die Schule verpassen. Da haben Boris Starostin (Hauptunterricht, Deutsch, Musik) und Igor Worotnikov (Hauptunterricht, English) mich ersetzt. Ausserdem wurde unsere Handarbeitlehrerin (meine Frau - Olga) schwanger und ab März musste man die Handarbeit durch Handwerk ersetzen. Auch Eurythmie haben wir nur epochenweise gehabt, da diese Stunden nur durch Besuche von Asja Starostin aus Moskau möglich waren.

Aber die Vorteile waren doch in der Mehrzahl. Da sind wir uns - Tussja, Lehrer und Eltern - einig.

Schulplan. Unsere Schulwoche dauert 5 Tage. Wie in allen russischen Schulen haben wir vier mal im Jahr Ferien: im Herbst und Frühling eine Woche, im Winter zwei Wochen und im Sommer drei Monate.

 MoDiMiDoFr
9.00 - 10.10Hauptunterricht
10.20 - 11.00DeutschDeutschMusikEnglishEnglish
11.20 - 12.00 Handarb.Handarb.MalenMalen

Von neun bis elf war ich, der Klassenlehrer da. Von elf bis zwölf: Olga - Handarbeit und Mascha - Malen.

Im Hauptunterricht hatten wir drei Epochen Buchstaben, drei Epochen Zahlen und Mathe, zwei Epochen Formenmalen. Außer den gewöhnlichen Stunden hatten wir unsere Besonderheiten: Schifahren, Stelzengehen, deutsches und englisches Theater.

Während des Jahres hatten wir in unserer Klasse Gäste, da unsere Schule Eltern mit Kindern entsprechenden Alters längere Aufenthalte in Monino ermöglicht hat. Am 21. Mai fand das Abschlussfest der ersten Klasse statt, im Herbst 2004 zieht unsere Schule in das neugebaute Gebäude ein. Das Geld für den Bau hat der Förderkreis "Dorfgemeinschaft" im Frühjahr 2002 gespendert und die Schule wurde diesen Winter fertiggebaut. Nächstes Jahr wird auch Nikola drei mal die Woche die Schule besuchen.

Außer Tussja haben dieses Jahr auch unsere jugendlichen Betreuten an der Schule Unterricht gehabt.

Uljana wurde fünf mal in der Woche ab 16 bis 17 Uhr von Igor in Mathe unterrichtet. Sie haben das Programm der 6. Klasse der Waldorfschule gemacht.

Mischa Starostin

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ANNALEN

... Im Laufe des Frühlings haben wir reguläre Versammlungen durchgesetzt. Alle Einwohner der Gemeinschaft kommen donnerstags und samstags zusammen.

Am Donnerstag wird von der Hauswirtschaft gesprochen. Jedes mal berichtet Wlad, da er für die Hauswirtschaft verantwortlich ist, was in der vergangenen Woche gemacht wurde und was für die kommende Woche geplant ist.

Am Samstag ist die Versammlung den pädagogischen und sozialen Problemen gewidmet. Die Konferenz hat gewöhnlich folgenden Verlauf:

  1. Ständige Betreuten: Kirjuscha und Uljana.
  2. Schule und Tussja.
  3. Kindergarten.
  4. Zeitbetreute und Gäste.

Hier wird auch von den Reisen, Studien, Forschungen und Entdeckungen berichtet. Dank der Versammlungen ist jedem bekannt, was in dem Dorf passiert...

Olga Starostin


März

Im März haben Mascha und Wlad nach 7 Monaten Quälerei mit Beamten und Papieren die offizielle Vormundschaft für Tussja beantragt. Es ist uns sogar gelungen, staatliches Geld für die Erziehung eines Waisenkindes zu bekommen. Das sind etwa 50 Euro pro Monat. (Das reicht gerade für die Ernährung einer Person). Diese Tatsache ermutigt uns grossartig, da wir endlich kleine Unterstützung von dem Staat bekommen.

Ende März haben wir Besuch von der 7. Klasse der Moskauer Waldorfschule gekriegt. Das war ein Dreizehnmannteam, das in einer Woche ein Sommerhäuschen für die Jugendlichen neben der Feuerstelle bauen wollte. Sie haben es fast zu Hälfte geschafft.

Mischa Starostin


... Ich lerne in der 7. Klasse der Waldorfschule in Moskau. Wir sind nach Monino am 26. März gekommen. Nach Monino kamen 13 Schüler aus unserer Klasse. Wir haben viele Reisen nach Monino gemacht, und wir wissen, was Monino ist. Wir haben in Annuschkas Haus gewohnt. Die Mädchen haben Kuchen gebacken, und Jungen Brennholz gehackt. Und alle haben auf der Baustelle gearbeitet. Wir haben ein Haus gebaut, wo wir in Sommer wohnen wollen. Am Abend haben wir Lieder gesungen und gespielt mit Olga, Mischa, Mascha, Uljana, Ilja und Wlad. Unsere Klasse war eine Woche in Monino. Wir fahren sehr gerne nach Monino.

Manja


April

Das größste Ereignis des Monats war Maschas Absolvierung des dreijährigen periodischen Seminars für Waldorfkindergärtner in Moskau. Auf Grund ihrer Erfahrung in Monino hat sie eine Diplomarbeit über soziale Waisenkinder und Kinder von aus Waisenanstalten stammenden Eltern geschrieben.


Mai

Am 2. Mai hat unsere Kuh gekalbt. Dass Kalb wurde von unseren Nachbaren, den anthroposophischen Pharmazeuten für die Herstellung der Arzneimittel abgeholt. Dafür haben wir jetzt 17-19 Liter Milch täglich und haufenweise Quark, Schmand, Sahne und alles, was man damit backen, kochen und braten kann. Die ganze Milchküche schafft Mascha wie vorher. Für den Stall (Heu und Ausmisten) ist aber seit September 2003 Uljana zuständig. Gemolken wird von Uljana und Mascha.

Am 1. Mai habe ich mein Studium am periodischen Seminar für Waldorflehrer angefangen. Das Studium wird drei Jahre dauern.

Vom 3. bis zum 5. Mai war Herr Hornemann zu Besuch. Und die Menschenweihehandlung fand wieder im neuen Schulgebäude statt.

Wie immer haben wir im Mai gepflügt, gesät, und gepflanzt. Für den Garten und Ackerbau ist Wlad seit Jahren zuständig. Auch Edik kam aus Moskau extra um beim Säen zu helfen.

Mischa Starostin

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PERSONEN

Ilja

Als Ilja, einer unserer 'Zeitbetreuten', im April zum zweiten mal kam wurde er von Igor betreut. Vormittags von 11.30 bis 13.00 hatte Ilja seinen Unterricht. Ich habe mit ihm einen Monat lang Schreiben und Lesen, Gitarrespielen und Geographie geübt. Besonders beliebt bei Ilja war aber die Stunde nachmittags - Reiten. Dieser Unterricht fand täglich statt, unabhängig von der Wetterlage, vom Herunterfallen und vom wunden Gesäß.

Auch Nachmittags hat Ilja oft zusammen mit Tussja, Nikola und Matwej in der Werkstatt gearbeitet. Er hat sich zur Aufgabe gemacht, das Bett zu basteln, das Herrn Hornemann bei seinem nächsten Besuch dienen sollte.

Am 13. April haben wir den sechzehnten Gebutstag von Ilja gefeiert. Nach seinem Wunsch wurde er zu einem Grillausflug.

Mischa Starostin


Ilja lebt in Moskau mit seiner Mutter und seinem Stiefvater. Er konnte nicht in der Grundschule lernen, deswegen kam er in die Schule für geistig Behinderte. Nach acht Jahren, die er in der Schule verbracht hat, kann er kaum lesen, schreiben und rechnen. Zu Hause wird er wenig geachtet, da es ein zweites Kind gibt, das klein und geliebt ist. Fast die ganze Zeit verbringt er auf der Strasse. Mit anderen Jugendlichen bummelt er durch die Stadt, trinkt Alkohol und experimentiert mit Drogen. Die Eltern glauben nicht mehr, ihm helfen können und außer Taschengeld geben sie ihm nichts.

Nach seiner Ankunft in Monino stellte sich heraus, dass Ilja ein guter, recht offener und gar nicht verlorener Mensch ist. Seiner Entwicklung nach müsste er 9 Jahre alt sein. Dementsprechend wurde er in Monino wie ein Kind dieses Alters, das wenig Aufmerksamkeit von seinen Eltern hatte, aufgenommen und behandelt. Rund um die Uhr war er mit einem Erwachsenen zusammen, wir haben zusammen gearbeitet, gegessen, die Freizeit verbracht. Wir arbeiteten im Wald, im Stall, spülten Geschirr, machten Brennholzvorräte, bauten das Haus für Jugendlichen u. s. w.

Am Anfang konnte Ilja nichts selbständig machen und versuchte bei der Arbeit auszuweichen. Aber das rhythmische Leben hatte sein Ergebnis. Wir konnten ihn bald mit kleinen Aufgaben beauftragen, z. B. Spülen oder Wasser holen.

Ein Paar mal haben wir Ausflüge in die Stadt gemacht und kurze Wanderungen unternommen.

In der Zeit, die Ilja in Monino verbracht hat, hat er gelernt, aufmerksam kleine Arbeiten zu leisten, recht gut zu lesen und zu schreiben, erwarb ein gesundes Interesse, und lernte ein Leben kennen, das sich von dem, was er auf den Moskauer Strassen sah, stark unterscheidet.

Igor


Uljana

Uljana, die jüngere Schwester von Mascha, wohnt in Monino seit Juli 2003. Diesen April ist sie 18 geworden. Vor drei Jahren hat sie sich unerwartet verändert. Sie hat Stimmen gehört, Visionen und Gedächnisschwäche gehabt. Eine Zeit lang hat sie auf der Strasse gelebt. Seit Januar 2004 wird sie von einem antroposophischen Arzt behandelt. Z. Z. kann sie selbstständig eigene Verantwortung tragen. Sie melkt die Kuh, kocht jeden Tag Abendessen im Makarowskij Haus und sorgt für den Stall.

Wir hoffen, dass Uljana in der Zukunft im Stande sein wird, eine handwerkliche oder landwirtschaftliche Ausbildung zu machen.

Mischa Starostin

Moskau, im Juni 2004

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